24.10.2024 - 13:13

Politische Bildung: Schlüssel für eine funktionierende Demokratie

Die Bedeutung von politischer Bildung und Demokratieförderung wächst – gerade in Zeiten demokratiefeindlicher Tendenzen und politischer Polarisierung. Was können Kitas, Schulen und berufliche Bildung leisten, um dem entgegenzuwirken?

„Aufgabe der politischen Bildung ist es, alle Bürger:innen zu befähigen, sich mit Politik zu beschäftigen und sich eine eigene Meinung zu bilden“, sagt Daniel Kraft, Pressesprecher der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) im Interview mit „bildungsklick TV“. Viele Menschen in Deutschland sehen das Bildungssystem für diese Aufgabe als zentral an, das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Studie der IU Internationale Hochschule. 59 Prozent der Befragten finden, das Bildungssystem sei hauptverantwortlich für die Vermittlung demokratischer Werte. Doch wie schaffen wir es, dass junge Menschen wirklich zu mündigen Bürgern heranwachsen?

Schon in der Kita können Kinder erste Erfahrungen mit demokratischen Prozessen machen, wie ein Forschungsprojekt des Deutschen Kinderhilfswerk aus 2023 zeigt. Ein konkretes Beispiel ist das sogenannte „Essensparlament“, bei dem Kinder spielerisch und altersgerecht lernen, wie demokratische Entscheidungsprozesse funktionieren. Sie wählen Vertreter, stimmen ab und erleben, dass ihre Entscheidungen umgesetzt werden. Kinderkonferenzen, in denen gemeinsam z.B. Verhaltensregeln aufgestellt werden, oder Projekte zu Umweltschutz oder kultureller Vielfalt sind weitere Beispiele. Im Mittelpunkt steht dabei das Erlernen demokratischer Werte und Verhaltensweisen. Dr. Christian Lüders, beim Deutschen Jugendinstitut mitverantwortlich für viele Kinder- und Jugendberichte, konstatiert im Forschungsmagazin „Impulse“, „dass spätestens ab einem Alter von drei Jahren ein Kind in der Lage ist, praktische Erfahrungen mit demokratischen Prinzipien zu machen.“

Schulzeit hat großen Einfluss auf politisches Wissen

Im weiteren Aufwachsen junger Menschen hat dann besonders die Schulzeit Einfluss auf das Demokratieverständnis. Das belegt eine wissenschaftliche Untersuchung aus dem Jahr 2021: Mit jedem Jahr schulischer Bildung steigt das politische Interesse der Schülerinnen und Schüler um 6,7 Prozent und das politische Wissen um 8,5 Prozent. Fast alle Schulen haben Projekte, die es den Lernenden ermöglichen, sich einzubringen und zu engagieren – und dadurch demokratische Werte vermittelt zu bekommen: Es gibt gewählte Schülervertretungen, die Interessen der Schülerschaft gegenüber der Schulleitung und in schulischen Gremien vertreten. In Klassenräten können Schülerinnen und Schüler Probleme besprechen und gemeinsam Entscheidungen fällen; in Schülerparlamenten werden schulweite Themen diskutiert. Auch Schülerzeitungen tragen dazu bei, dass die Kinder und Jugendlichen lernen, sich mit politischen und gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen und ihre Meinung konstruktiv einzubringen. Nicht zuletzt veranstalten viele Schulen regelmäßig Projekttage oder -wochen zu aktuellen politischen Themen. Doch reicht das?

„Wir Schüler werden oft nicht ernstgenommen“, kritisiert Florian Fabricius, ehemaliger Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, im Interview mit dem „Tagesspiegel“. In seiner Zeit als Bundesschülersprecher hat sich Fabricius dafür eingesetzt, die Schülervertretungen zu stärken. Er ist überzeugt: „Junge Menschen würden ein ganz neues Verhältnis zur Demokratie entwickeln. Schon in der Schule würden Menschen erleben, dass sie unser Land mitgestalten können.“ Klar ist: Eine funktionierende Demokratie braucht informierte und gebildete Bürger, aber auch ein Gefühl der Selbstwirksamkeit. Und dieses ist gerade bei jungen Menschen oft nicht ausgeprägt. Laut der aktuellen SINUS-Jugendstudie 2024 fühlen sich nur 40 Prozent der befragten 14- bis 17-Jährigen im Schulalltag gehört, in der aktuellen Shell Jugendstudie glauben 71 Prozent der befragten Jugendlichen nicht, dass sich Politiker darum kümmern, was sie denken. Solche Gefühle sind Nährboden für Politikverdrossenheit – und ein mögliches Einfallstor für die Agenda populistischer Personen.

Politische Bildung als fester Bestandteil der Berufsausbildung

Damit Schulen nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung, sondern auch ein Raum gelebter Demokratie sein können, müssen die Rahmenbedingungen stimmen – auch im Bezug auf Lehrkräfte. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, fordert: „Alle Lehrer, egal welches Fach sie unterrichten, müssen besser in Demokratiebildung geschult, fortgebildet werden.“ Auch ein eigenes Fach für politische Bildung sei nötig, sagte sie schon vor Jahren im Interview mit der „Welt“. Baden-Württemberg hat als ein deutsches Bundesland mit Vorreiterfunktion bereits Schritte unternommen, Demokratiebildung fächer- und schulformübergreifend in den Bildungsplänen zu verankern. So soll sichergestellt werden, dass Schülerinnen und Schüler bereits ab der Grundschule kontinuierlich und durch alle Schulformen lernen, wie Demokratie funktioniert und welche Beteiligungsmöglichkeiten es gibt.

Doch nicht nur in Kita und Schule, auch in der beruflichen Bildung ist die Demokratiebildung verankert. „Sie bildet die Grundlage auch für aktives Handeln in der sozialen Marktwirtschaft“, betont Prof. Dr. Friedrich Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), in einer Pressemitteilung zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes. Dass politische Bildung ein fester Bestandteil der Berufsausbildung ist, regelt das Berufsbildungsgesetz – in der Berufsschule z.B. in Fächern wie Politik, Wirtschaft- und Sozialkunde. Auch Planspiele oder Exkursionen zu politischen Institutionen bereiten Berufsschülerinnen und -schüler auf ihre Zukunft als Bürgerinnen bzw. Bürger einer Demokratie vor. Eine nicht immer einfache Aufgabe: Die oft große Heterogenität der Lerngruppen erfordert hohe Binnendifferenzierung im Unterricht, zudem fällt es nicht immer leicht, die Relevanz politischer Themen für den Berufsalltag der Auszubildenden sichtbar zu machen. Nicht zuletzt konkurriert die politische Bildung stark mit der fachlichen Ausbildung. Oft bleibt für gesellschaftspolitische Themen nur wenig Zeit.

Kinder und Jugendliche sind bereit, Verantwortung zu übernehmen

Von der digitalen Revolution über das Erstarken des Populismus bis zu globalen Krisen –die moderne Welt schafft neue Herausforderungen für politische Bildung und Demokratieförderung. Umso wichtiger ist es, dass Bildungsangebote entsprechend der Lebensrealitäten von Kindern und Jugendlichen gestaltet werden. Darin spielen soziale Medien auch bei der politischen Meinungsbildung nachweislich eine immer größere Rolle. Laut Shell Jugendstudie nutzen knapp 59 Prozent der Jugendlichen soziale Medien als Hauptquelle für politische Informationen. „Politische Bildung geht heute nicht mehr ohne Medienbildung – und Medienbildung auch nicht ohne politische Bildung. Man braucht eine kritische Kompetenz, um Medieninhalte insbesondere in den sozialen Medien zu hinterfragen“, sagt Thomas Krüger, Präsident der bpb, im Gespräch mit „mitmischen.de“. Die Bundeszentrale für politische Bildung spielt in Deutschland eine tragende Rolle bei der Bereitstellung von Angeboten zur Demokratiebildung – auch im digitalen Raum.

Kinder und Jugendliche sind jedenfalls bereit, Verantwortung für die Demokratie zu übernehmen, auch das zeigt die Shell Jugendstudie. Während sich im Jahr 2002 nur ein Drittel der Jugendlichen als politisch interessiert bezeichneten, sind es im Jahr 2024 bereits mehr als die Hälfte. Auch die Bereitschaft, sich politisch zu engagieren, hat zugenommen: von 22 Prozent im Jahr 2002 auf 37 Prozent in 2024. Diese Bereitschaft in produktive Bahnen zu lenken, das kann Aufgabe der politischen Bildung sein. „Aber sie funktioniert nicht als Feuerwehr“, warnt Wissenschaftlerin Dr. Sabine Achour von der FU Berlin im Interview mit dem „Tagesspiegel“, „vielmehr sind Mündigkeitsbildung und Aufklärung demokratischer Brandschutz.“

Vom 11. bis 15. Februar 2025 findet die didacta als weltweit größte und Deutschlands wichtigste Bildungsmesse unter dem Leitthema „Demokratie braucht Bildung. Bildung braucht Demokratie“ statt. 
Gestalten Sie die Zukunft der Bildung durch einen Besuch der didacta 2025 in Stuttgart aktiv mit und sichern Sie sich hier ihr Ticket für die Bildungsmesse.

Was sind die Aufgaben und Ziele der politischen Bildung und welchen Beitrag können Schulen und außerschulische Lernorte leisten? Diese Fragen beantwortet Daniel Kraft von der Bundeszentrale für politische Bildung im Interview mit bildungsklick TV. Das vollständige Gespräch können Sie sich hier auf bildungsklick TV anschauen.

Nähere Informationen zu den Veranstaltungen der didacta 2025 finden Sie unter www.didacta-messe.de, auf Facebook, Instagram und LinkedIn.

Diese Veranstaltungen könnten Sie interessieren:
Forum Bildungsperspektiven
Demokratie braucht Bildung. Welchen Beitrag können Schulen bei der Demokratiebildung leisten?
11.02.2025
12:45 bis 13:30 Uhr

Schulkultur verändern: mehr Demokratie und Teilhabe wagen
13.02.2025
11:45 bis 12:30 Uhr

Mit unruhigen Zeiten umgehen – Demokratie- und Friedensbildung an außerschulischen Lernorten
14.02.2025
10:30 Uhr

Forum didacta aktuell
Demokratiebildung und -erziehung in der Schule
11.02.2025
13:30 bis 14:15 Uhr

Demokratiebildung zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Balance finden im Rahmen des Beutelsbacher Konsens?
12.02.2025
10:30 bis 11:15 Uhr

Forum Frühe Bildung: Auftakt im Kongress West
Partizipation in der frühen Bildung für nachhaltige Entwicklung – Kitas als Lernorte für Demokratie
15.02.2025
10:30 bis 11:30 Uhr

Forum Berufliche Bildung
„Demokratiebildung in Beruf und Arbeitswelt“ Diskussion mit den Gewinnern des Hermann-Schmidt-Preis

Workshop
Demokratie erleben
15.02.2025
13:00 bis 13:30 Uhr

Information für Redaktionen: Interviews, Videos, Texte und Zitate aus diesem Themendienst können gerne zur redaktionellen Berichterstattung verwendet werden. Beim Bildmaterial beachten Sie bitte die Nutzungshinweise am jeweiligen Bild. Über ein Belegexemplar an info@bildungsklick.de freuen wir uns.

Quellenangabe: Dieser Beitrag erschien zuerst im didacta Themendienst.

Bildquelle: https://pixabay.com/de/photos/kinder-kind-r%C3%BCcken-aufzeigen-1547261/

Der Themendienst im Überblick: Weitere Artikel und Interviews zur didacta – die Bildungsmesse 2025 finden Sie im Dossier auf www.bildungsklick.de.

back to overview