07.11.2024 - 07:36

Bildung für nachhaltige Entwicklung: Lernen für eine zukunftsfähige Welt

Ob Armut, Pandemien oder der Klimawandel: Heutige Herausforderungen werden sich zukünftig eher verschärfen. Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) zielt auf eine gerechtere Welt für alle ab. Wie gelingt das in Zeiten von Nachrichtenmüdigkeit und Fake News?

Der Schutz von Umwelt und Klima spielt für 78 Prozent der 14- bis 22-Jährigen in Deutschland nach wie vor eine wichtige Rolle. Das zeigen Ergebnisse der Studie „Zukunft? Jugend fragen!“ des Bundesumweltministeriums (BMUV) und des Bundesumweltamts aus dem Jahr 2023. Gleichzeitig hat die internationale Protestbewegung Fridays for Future, bei der seit 2018 Millionen junger Menschen für ein besseres Klima auf die Straße gingen, in den letzten Jahren an öffentlichem Interesse verloren.

Der Digital News Report 2023 bietet einen Ansatz, diesen Widerspruch zu erklären. Er belegt eine gewisse Nachrichtenmüdigkeit in Bezug auf die Katastrophenberichterstattung – auch Nachrichten zur Klimakrise dringen immer seltener zu den Menschen durch. Fake News und die schiere Informationsflut im Internet erschweren zudem gerade Kindern und Jugendlichen den Überblick. Dem gegenüber steht der Plan der Weltgemeinschaft, bis 2030 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen.

Was bedeutet Nachhaltigkeit wirklich?

Was manchmal aus dem Blick gerät: Nachhaltigkeit ist viel mehr als der Schutz von Klima und Umwelt. Es bedeutet schlicht, „die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden“. So schreibt es das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und verweist auf die drei Dimensionen des Konzepts: wirtschaftliche Effizienz, soziale Gerechtigkeit und ökologische Tragfähigkeit. Bildung für nachhaltige Entwicklung soll demnach zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigen.

Für Silke Ramelow, Referatsleiterin Umweltbildung, Jugendpolitik, Deutsche Bundesstiftung Umwelt im BMUV, gilt das für Menschen jeden Alters: „Wir sehen heute anhand der vielen Krisen, die sich rund um uns ereignen, dass wir alle Lernende sind“, sagt sie im Podcast „Nachhaltigkeit braucht Bildung“. Der Wille scheint generell vorhanden: So gut wie jeder Zweite kann sich vorstellen, bei Nachhaltigkeitsprojekten mitzumachen, die von Schule, Ausbildungsstätte oder Arbeitsplatz angeboten werden. Dies geht aus der Studie „Jugend und Nachhaltigkeit“ der Bertelsmann Stiftung hervor.

Von der Theorie in die Praxis: BNE an Schulen und Universitäten

Beispiele für eine konkrete Umsetzung gibt es bereits einige: So will der Verein Klimabildung e.V. ein Bewusstsein für BNE schaffen und mehr Klimabildung an Schulen und Universitäten bundesweit bringen. Gemeinsam mit „Students for Future“-Gruppen ist so das Projekt Public Climate School entstanden: Schulen können an einer Aktionswoche teilnehmen, bei der digitale Veranstaltungen wie Live-Unterricht und Workshops angeboten werden. Darüber hinaus stehen auf der Website kostenlose Unterrichtsmaterialien, Literaturtipps und Videos zur Verfügung. Mitgründerin Hannah Maschong betont in einem Beitrag des Deutschen Schulportals: „Wir haben gemerkt, dass das Thema schon für jüngere Schülerinnen und Schüler eine große Bedeutung hat und dass auch viele Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen geeignetes Unterrichtsmaterial suchen.“ Sie fordert: „Klimabildung sollte in jedes Fach integriert werden.“

Hochschulen wiederum erhalten im Rahmen der Public Climate School Besuch von Experten und Expertinnen, die Veranstaltungen über Klimabildung abhalten. Hochschulgruppen können sich zudem zu einem Coachingprogramm anmelden, um selbst zu lernen, wie sie die Public Climate School an ihrer Hochschule durchführen können. Dazu gehört ein Online-Kurs zu Themen rund um die Klimakrise.

Modellschulen für Nachhaltigkeit

In einzelnen Bundesländern wird das Konzept BNE inzwischen verstärkt in den Fokus genommen – wie im Modellprojekt „Wirkstatt Nachhaltigkeit“, das seit 2021 an bayerischen Schulen durchgeführt wird und auf dem Fahrplan der UNESCO fußt. Ausgewählte Modellschulen richten sich verstärkt auf Bildung für Nachhaltige Entwicklung aus, binden Schülerinnen und Schüler als sogenannte „Zukunftsgestalter“ aktiv in die Entwicklung von Lösungsansätzen ein und führen fächerübergreifende Maßnahmen durch, die Klimaschutz und Nachhaltigkeit vorantreiben. Beispiele dafür sind Baumpflanzaktionen, die Organisation von Infoveranstaltungen oder die Einführung einer Klimaschutz-AG. Im Teilprojekt Campus-N identifizieren die jungen Menschen Probleme aus ihrem Umfeld und suchen anschließend nach Lösungen. Das kann im Wahlunterricht, in Arbeitsgruppen oder im Ganztagsangebot geschehen. Aus dem Ansatz heraus sind bereits vielfältige Projekte wie eine Müllentsorgungsstation, ein Schulgarten und eine Online-Börse zum Tauschen gebrauchter Kleidung und Bücher entstanden. Gabriele Riedmann de Trinidad führt das Unternehmen plattform3L, das Technologiepartner der „Wirkstatt Nachhaltigkeit“ ist. Im Interview mit „bildungsklick TV“ fasst sie das übergeordnete Ziel des Projekts zusammen: „Wir wollen, dass die Kinder Selbstwirksamkeit erfahren. Sie sollen tatsächlich ins Tun kommen und nicht nur über Nachhaltigkeit reden.“

Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Doch BNE soll nicht nur Kindern und Jugendlichen helfen, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Das Projekt SDG-Scouts® des Vereins B.A.U.M. e.V. richtet sich an Auszubildende, Nachwuchskräfte und Mitarbeitende in Unternehmen. Das Ziel laut Projektmanagerin Karina Frochtmann: „Unternehmen können das Innovationspotenzial und die Kreativität der Mitarbeitenden nutzen und die Nachhaltigkeit in ihrem eigenen Unternehmen vorantreiben.“ So erläuterte sie es im Fachforum Bildung – Kommunikation der Deutschen Bundesstiftung Umwelt im Rahmen der Woche der Umwelt 2024. Der Verein hat eine Workshop-Reihe entwickelt, in der Teilnehmende lernen, was Nachhaltigkeit bedeutet, welche Rolle sie als „SDG-Scouts®“ in ihrem Unternehmen spielen und welche Konzepte zur Förderung unternehmerischer Nachhaltigkeit existieren. In den anschließenden Praxisphasen erkunden sie das individuelle Verbesserungspotenzial und entwickeln konkrete Ideen zur Optimierung eines SDGs in ihrem Arbeitsumfeld.

Das Potenzial außerschulischer Lernorte

Außerhalb des Klassenraums, Hörsaals oder Büros nimmt Bildung für Nachhaltige Entwicklung ebenfalls Gestalt an. Die Naturschule Aggerbogen in Lohmar ist Teil des Bildungsprogramms „KennenLernenUmwelt“ und nur ein Beispiel dafür, wie BNE-relevante Themen abseits von Bildungsinstitutionen vermittelt werden können. Das Angebot der Naturschule ist breit gefächert: Vom Wollefilzen über eine sogenannte „Regenwurmwerkstatt“ bis hin zur Untersuchung des Wasserkreislaufs. Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene und Senioren können an den Projekten, Führungen und Aktionen rund um Natur und Umwelt teilnehmen. Dabei werden – je nach Angebot und Zielgruppe – Themen des Sachunterrichts aufgegriffen und abenteuerliche Erlebnisse rund um die Natur kreiert. Zusätzlich bietet die Naturschule Lehrkräftefortbildungen zur Umweltpädagogik an.

Die Leiterin der Naturschule Aggerbogen, Sigrun Jungwirth, sieht allerdings noch einen klaren Verbesserungsbedarf. „Ich wünsche mir konkret von der Politik, dass die außerschulischen Lernorte in die Lehrerausbildung mit einbezogen werden – dass Lehrerinnen und Lehrer wissen, dass es diese Angebote gibt und wie sie diese nutzen können“, so Jungwirth, die auch als Sachbearbeiterin in der Abteilung Außerschulische Lernorte im Amt für Bildung und Soziales der Stadt Lohmar arbeitet, im Interview mit „bildungsklickTV“. Silke Ramelow wiederum sagte bereits 2022 im Gespräch mit Podcast-Host Christian Eikmeier: „Meine Vision wäre ja sowieso, dass Schulen wirklich auch Lernräume für die Nachbarschaft, für die umliegende Community werden.“

Das Programm „BNE 2030“ der UNESCO verfolgt 17 globale Nachhaltigkeitsziele – ebenfalls bekannt als Sustainable Development Goals. Auch Deutschland hat 2017 einen Nationalen Aktionsplan verabschiedet, um BNE in der deutschen Bildungslandschaft zu verankern. Über die Umsetzung entsprechender Maßnahmen in allen Bildungsbereichen bietet eine Roadmap der UNESCO Orientierung.

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Quellenangabe: Dieser Beitrag erschien zuerst im didacta Themendienst.
Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/person-die-eine-grune-pflanze-halt-1072824/

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