Nachhaltige Produktionstechnik hilft beim Klimaschutz
Die Industrie in der EU soll bis 2050 klimaneutral sein. Da es ohne Maschinen keine Produkte gibt, heißt das auch, dass die Produktionstechnik einen wesentlichen Beitrag leisten muss und wird, um die industrielle Fertigung auf nachhaltige Geschäftsmodelle zu transformieren. Im Fokus stehen dabei die Werkzeugmaschinen, ohne die sich weder Konsumartikel noch Investitionsgüter wie Windkraft- oder Solarenergieanlagen produzieren lassen. Wie kann die industrielle Fertigung ganzheitlich effizient, nachhaltig und klimaschonend gestaltet werden? Das wird auf der NORTEC, Fachmesse für Produktion, vom 23. bis 26. Januar 2024 in Hamburg zu erfahren sein.
Lange Nutzungsdauer reduziert CO2-Fußabdruck
Ein erster und oft erstaunlich wirksamer Schritt auf dem Weg zur klimafreundlichen Produktion ist der maßvolle Umgang mit Produktionskapital sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen. „Nichts ist so nachhaltig, wie Maschinen möglichst lange zu nutzen", erklärt Stephan Mayer, Leiter der Division Werkzeugmaschinen des Lasertechnikspezialisten und NORTEC-Ausstellers Trumpf mit Sitz im schwäbischen Ditzingen. Das Familienunternehmen Trumpf hat Nachhaltigkeit zum festen Bestandteil seiner Strategie erklärt. So verweist Mayer darauf, dass bei der Herstellung einer Tonne Stahl rund 1,4 Tonnen CO2 anfallen. Maschinen in der Blechfertigung bringen nicht selten über 10 Tonnen auf die Waage.
„Unternehmen reduzieren ihren CO2-Fußabdruck enorm, wenn sie ihre Maschinen bis an ihr Lebensende im Feld lassen", erklärt Mayer. Dabei will Trumpf seine Kunden vielfältig unterstützen, etwa durch besonders langlebige und robuste Maschinen oder die Möglichkeit, gebrauchte Anlagen wieder aufzuarbeiten. Dazu zählt, wichtige Funktionen nachzurüsten und die Anlage dadurch länger in Betrieb zu halten.
Denn entspricht eine Maschine aus der Blechfertigung nicht mehr den aktuellen Standards, muss sie noch lange nicht verschrottet werden. Trumpf bietet mehrere Lösungen an, um ältere Maschinen wieder auf Vordermann zu bringen. Dazu gehört etwa das OPC UA-Retrofit. Damit können Anwenderinnen und Anwender ihre älteren Bestandsmaschinen um eine OPC UA-Schnittstelle erweitern, dem internationalen, plattformunabhängigen Standard für den Datenaustausch in der Fertigung.
Eine weitere Nachrüstlösung von Trumpf ist der Windows-Retrofit. Die Technologie hilft dabei, die steigenden Anforderungen an IT-Systeme innerhalb des Firmennetzwerks bei älteren Maschinen einzuhalten.
Material sparen mit intelligenten Algorithmen
„Der größte Hebel für den Klimaschutz ist allerdings, in der Fertigung Material einzusparen", betont Mayer. Dabei helfen neben dem Wissen erfahrener Fachkräfte mittlerweile auch intelligente Computeralgorithmen. „Mit keinem mir bekannten Algorithmus am Markt lassen sich mehr Teile aus einer Blechtafel herausschneiden als mit unserem", nennt der Trumpf-Manager als Beispiel. Mit der Nanojoint-Technologie für das Laserschneiden lassen sich die Teile sogar wie bei einem Puzzlespiel direkt nebeneinander auf der Blechtafel platzieren. „Das reduziert den Ausschuss deutlich", so Mayer.
Und das funktioniert so: Normalerweise lässt der Laser kleine Stege stehen, wenn er die Bauteile aus der Blechtafel schneidet. Diese so genannten Mikrojoints verhindern, dass die Bauteile beim Schneiden verkippen. Beim Nanojoint-Verfahren erzeugt der Laser noch kleinere Haltepunkte, an denen er das Metall nicht vollständig durchtrennt. Das spart Material, denn anders als bei den herkömmlichen Mikrojoints lassen sich die Bauteile jetzt direkt nebeneinander auf der Blechtafel schachteln.
Höhere Materialeffizienz ist also ein wesentlicher Schlüssel zur Steigerung der Nachhaltigkeit. So sieht das auch der Wissenschaftler Christoph Herrmann, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik IST in Braunschweig. „Es gilt, die Materialeffizienz über die gesamte Prozesskette zu steigern, denn höhere Effizienz bedeutet in der Regel auch einen geringeren Energiebedarf", sagt Herrmann, der auch Universitätsprofessor für Nachhaltige Produktion und Life Cycle Engineering sowie Leiter des Instituts für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF) der Technischen Universität Braunschweig ist. Unter dem Dach der WGP (Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik) hat er zudem an der Energieeffizienz-Initiative mitgewirkt.
Stoffkreisläufe klein- und großräumig schließen
Neben höherer Material- und Energieeffizienz muss die Industrie auch die mit der Werkzeugmaschine verbundenen peripheren Systeme im Blick behalten, wie etwa die Kühlschmierstoffversorgung. Diese müsse auf erneuerbare Ressourcen umgestellt werden – etwa durch bio-basierte Öle und Additive für die Formulierung des Kühlschmierstoffs, sagt der Wissenschaftler.
So hat der Kühlschmierstoffhersteller Oemeta aus Uetersen bei Hamburg einen mineralölfreien wassermischbaren Kühlschmierstoff aus synthetischen Esterölen für anspruchsvolle Zerspanungsprozesse entwickelt. Bei der Herstellung von synthetischen Estern wird die chemisch aus nativen Ölen gewonnene Fettsäure gezielt mit einem ebenfalls aus natürlichem Ursprung gewonnenen oder einem synthetischen Alkohol in Reaktion gebracht. Synthetische Esteröle sind wie native Pflanzenöle mineralölfrei und biologisch abbaubar, meist aber wesentlich haltbarer und leistungsfähiger.
Um den Weg zur Kreislaufwirtschaft zu beschreiten, sind viele kleinere Schritte erforderlich. Zugleich ist ein durchdachtes Gesamtkonzept wichtig, um die große gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu meistern. Welche innovativen Ansätze in der industriellen Produktion sind dabei besonders vielversprechend? Welche davon haben es bereits von der Forschung in die industrielle Praxis geschafft? Und welche haben das größte Potenzial in der Zukunft? Herrmann hält es für zentral, die Stoffkreisläufe sowohl klein- als auch großräumig zu schließen. „Seit einigen Jahren forschen wir an zirkulären Fabriken als Ort, an dem sowohl Produkte hergestellt als auch gebrauchte Produkte fertigungs- und verfahrenstechnisch so prozessiert werden, dass Produkt- und Materialkreisläufe geschlossen werden", sagt Herrmann. Dieser Ansatz, auch verbunden mit einem höheren Grad an Dezentralität, sei sehr vielversprechend.
Ökologische Nachhaltigkeit kann zudem nur erreicht werden, wenn neben der Werkzeugmaschine auch die Hintergrundsysteme klimaneutral werden. Konkret bedeutet das etwa die Erzeugung und Nutzung regenerativer Energien – entweder durch eigene Anlagen am oder in unmittelbarer Nähe zum Produktionsstandort oder durch entsprechende Energieverträge, wie Herrmann erklärt. Als aktuelles Beispiel dazu führt er die Fabriktransformation des Werks der Robert Bosch Elektronik GmbH in Salzgitter an. Hier komme gleich ein ganzes Bündel von Maßnahmen zum Einsatz - angefangen von Photovoltaik über Abwärmenutzung aus einem benachbarten Stahlwerk bis hin zur Nutzung von grünem Wasserstoff.
Photovoltaik, Geothermie und Windkraft
Auch Trumpf nimmt für sich in Anspruch, selbst viel zu tun, um möglichst nachhaltig zu fertigen. „Wir produzieren einen Teil unseres Stromverbrauchs selbst, beispielsweise über Photovoltaikanlagen auf unseren Dächern", erklärt Mayer. Außerdem prüft das Unternehmen, an welchen Standorten sich Geothermie und Windkraft eignen. Zudem nutzt der Werkzeugmaschinenbauer die Abwärme seiner Lasermaschinen zum Heizen von Gebäuden und hat den Fuhrpark elektrifiziert. „An unserem Stammsitz in Ditzingen betreiben wir zudem eine der größten Elektrotankstellen Süddeutschlands", sagt der Manager.
Der Werkzeugmaschinenhersteller produziert nach eigenen Angaben bereits seit 2020 bilanziell CO2-neutral. „Wir möchten unsere Bilanz nicht allein durch den Kauf von Zertifikaten verbessern, sondern mehr und mehr den Ausstoß reduzieren", erklärt Mayer. Trumpf habe an all seinen Standorten im Jahr 2022 nur noch halb so viel CO2 wie im Geschäftsjahr 2018/19 verursacht, trotz starken Wachstums. „Wir sind also auf einem guten Weg zur Klimaneutralität."
Kreislaufwirtschaft per Design
Nachhaltigkeit ist in der über 100-jährigen Unternehmensgeschichte „ein Teil der DNA", bekräftigt er weiter. Der Kreislaufwirtschaft gehöre die Zukunft. Man werde Produkte und Komponenten bereits in der Entwicklungsphase so gestalten, dass sie sich wiederverwerten oder zumindest gut recyceln lassen,
sozusagen „Kreislaufwirtschaft per Design“.
Bis der Umbau der gesamten Industrieproduktion zur Kreislaufwirtschaft vollzogen ist, bleibt also noch viel zu tun. Die NORTEC wird zeigen, welche Möglichkeiten es heute schon gibt, die Industrieproduktion klimaschonend zu gestalten und nachhaltige Geschäftsmodelle für die Zukunft zu entwickeln. Auf zwei Bühnen, dem Auditorium und der Speakers' Corner, werden täglich Vorträge, Workshops und Diskussionen rund um aktuelle Themen in der Produktionstechnik präsentiert. Am 24. Januar finden zwischen 13 und 16 Uhr im FormUM@NORTEC zahlreiche inspirierende Impulse und Gespräche zum Schwerpunktthema Nachhaltigkeit statt. Am 25. Januar um 13 Uhr lädt zudem der VDMA Landesverband Nord im Auditorium auf der NORTEC zu einem Workshop zum Thema „"Nachhaltigkeit in der Produktion – ein Wettbewerbsvorteil?" ein.
Autor: Daniel Schauber, Fachjournalist, Mannheim
Bildunterschriften
01 Trumpf Nanojoints
Höhere Materialeffizienz ist ein wesentlicher Schlüssel zur Steigerung der Nachhaltigkeit in der industriellen
Fertigung. Mit dem Nanojoint-Verfahren von Trumpf lassen sich Bauteile direkt nebeneinander auf der Blechtafel schachteln.
Foto: Trumpf
02 Stephan Mayer Trumpf
„Nichts ist so nachhaltig, wie Maschinen möglichst lange zu nutzen", erklärt Stephan Mayer, Leiter der Division Werkzeugmaschinen des Lasertechnikspezialisten Trumpf im schwäbischen Ditzingen.
Foto: Trumpf
03 Christoph Herrmann Fraunhofer
„Es gilt, die Materialeffizienz über die gesamte Prozesskette zu steigern, denn höhere Materialeffizienz bedeutet in der Regel auch einen geringen Energiebedarf", sagt Christoph Herrmann, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik IST. Herrmann ist auch Universitätsprofessor für Nachhaltige
Produktion und Life Cycle Engineering sowie Leiter des Instituts für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF) der Technischen Universität Braunschweig.
Foto: Technische Universität Braunschweig
Kontakte
Trumpf SE + Co. KG
Ramona Hönl
Sprecherin Werkzeugmaschinen
Johann-Maus-Straße 2
71254 Ditzingen
Deutschland
Tel. +49 7156 303-31251
ramona.hoenl@trumpf.com
www.trumpf.com/
Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST
Prof. Christoph Herrmann
Institutsleiter
Riedenkamp 2
38108 Braunschweig
Deutschland
Tel. +49 531 2155-503
christoph.herrmann@ist.fraunhofer.de
www.ist.fraunhofer.de/
Daniel Schauber
Fachjournalist
Meerfeldstr. 14
68163 Mannheim
Deutschland
Tel. +49 170 2031976
daniel@schauber.com
Hintergrund
NORTEC 2024 – Fachmesse für Produktion
Vom 23. bis 26. Januar 2024 findet die NORTEC in Hamburg statt. Als Fachmesse für Produktion bietet sie eine Plattform für die Industrie in Norddeutschland, den angrenzenden skandinavischen Märkten, den Niederlanden und in Belgien. Angebotsschwerpunkte sind Werkzeugmaschinen und Fertigungsanlagen, Präzisionswerkzeuge, Robotik und Automation, Software-, Digital- und IT-Lösungen, Steuer- und Regeltechnik, Mess- und Prüftechnik sowie Qualitätssicherung, Elektronikfertigung, Bauteile und Baugruppen, Materialien, Lohn-und Auftragsfertigung, Dienstleistungen, Förder- und Lagertechnik sowie Logistikmanagement, Betriebsausrüstung und Zubehör. Zielgruppen sind Entscheiderinnen und Einkäufer aus der Industrie (Maschinen- und Anlagenbau, Metallbe- und verarbeitende Industrie, Fahrzeugbau, Luft- und Raumfahrttechnik,
Medizintechnik, Werkzeug- und Formenbau, Elektro- / Elektronikindustrie, Maritime Technik / Schiffbau, Feinmechanik / Optik, Lohnbetriebe, Zulieferindustrie), dem Dienstleistungssektor, dem Handwerk und dem Handel. Die Messe wird gemeinsam vom VDW und der Messe Stuttgart im Zwei-Jahres-Turnus veranstaltet.