15.04.2025 - 09:11

Quantenkühlung neu gedacht – kompakt, automatisiert, skalierbar

Interview mit attocube systems AG – Gewinner des Quantum Effect Awards 2024 in der Kategorie Quantenkommunikation & Networks

Mit dem attoCMC-System bringt attocube kryogene Kühlung aus dem Forschungslabor in die industrielle Anwendung – kompakt, automatisiert und einfach integrierbar. Im Interview spricht Sebastian Schaile,  Senior Manager Strategic Marketing CMC von attocube systems GmbH, über technologische Durchbrüche, starke Partnerschaften und warum jetzt der ideale Zeitpunkt ist, in Quantencomputing einzusteigen.

Ihr attoCMC-System macht kryogene Kühlung erstmals einfach integrierbar und skalierbar für Quantencomputing. Warum ist das so ein wichtiger Schritt für die Quantenindustrie?

Das Konzept ist wirklich revolutionär: wir ermöglichen der Quantenindustrie Temperaturen von nur etwas mehr als 2 Grad Kelvin über dem absoluten Nullpunkt quasi aus jeder Steckdose! Konventionelle Kühlgeräte brauchen in der Regel sowohl Starkstrom, als auch Kühlwasser. Dies bedeutet in der Regel viel an Planung, Vorbereitung und Montage und verlangt oft nach baulichen Änderungen durch den Endkunden sowie eine intensive Installation am Aufstellort –undenkbar für die industrielle Nutzung von Quantentechnologien. Darüberhinaus spielt auch die Kompaktheit eine enorme Rolle: das komplette Kühlgerät inklusive Kompressor ist kompatibel mit Standard-19“ Racks, wie sie auch in jedem Serverraum stehen, und ermöglicht somit die nahtlose Integration von Quantencomputern in bestehende Rechenzentren und deren Infrastruktur.

Automatisierung spielt eine Schlüsselrolle bei der Optimierung kryogener Systeme. Welche Innovationen haben Sie in Ihrem Kryostat entwickelt?

Vom Labor in die industrielle Nutzung bedeutet für kryogene Systeme den Weg in einen völlig unbeaufsichtigten Betrieb. Ein Kernthema, um dies zu ermöglichen, war dabei die Entwicklung des Systems hin zur Erzielung von besonders niedrigen Temperaturen ohne die Verwendung von zusätzlichen Kühlstufen. Der attoCMC erreicht seine besonders niedrige Basistemperatur völlig ohne den Einsatz von Pumpsystemen und Kühlfallen, um Helium weiter zu unterkühlen, wodurch der Serviceaufwand und die Robustheit deutlich gesteigert wird. Das System ist darauf ausgelegt, praktisch ohne Unterbrechung vom Start bis zum geplanten Service zu operieren. Zusätzlich zu diesem ununterbrochenen Betrieb wurde ein Automatisierungssystem entwickelt, welches einen einfachen Betrieb ohne Expertenwissen ermöglicht. Das Pumpsystem und die gesamte Kontrollhardware sind dabei im kompakten Kryostaten integriert, es werden keine externen Module benötigt, was die Integration in Kundenracks besonders einfach macht.

Die Entwicklung neuer Technologien bringt oft unerwartete Herausforderungen mit sich. Gab es einen Moment in Ihrer Arbeit, der für Ihr Team besonders prägend war?

Die Automatisierung mit der auf kompaktem Raum angebrachten Vakuumpumpe war ein besonderer Meilenstein im Projekt. Neben dem kleinen, selbst entwickelten Controller kommt hier zum ersten Mal in einem Kryostaten eine besonders robuste und vor allem kleine Pumpe zum Einsatz. Da die Performance hier nicht gut abschätzbar war und wir einen engen Zeitplan für die Entwicklung hatten, sind wir in der Entwicklung ein sehr hohes Risiko eingegangen. Entsprechend groß war die Freude, als der erste Prototyp beim ersten Start sofort überzeugen konnte.

attocube arbeitet bereits mit renommierten Partnern wie Quandela und Munich Quantum Instruments zusammen. Welche Rolle spielen Kooperationen für Ihre Innovationsstrategie?

Die Mission von attocube ist „Enabling Scientific Impact“ – und dabei versuchen wir regelmässig die Grenze des Machbaren zu verschieben. Es ist dabei absolut essenziell für uns mit Partneren sowohl in der Wissenschaft als auch in der Industrie eng an den Lösungen der Zukunft zu arbeiten. Nur so entstehen markttaugliche Innovationen, welche wirklichen „Impact“ erzeugen.

Man darf aber dabei auch nicht den Weg in die Breite vergessen. Wissenschaft, genauso wie die Industrialisierung von Quantentechnologien ist eine Leistung der gesamten Community. In diesem Sinne helfen wir unseren Kunden und Partnern über eine enge Applikationsberatung und Schulungen zu schnellem Erfolg mit unseren Produkten. Dies ist eine der Hauptideen des attoCMC Projekts: jungen Startups den Aufwand abzunehmen selbst Kryotechnologie zu entwickeln und zu bauen, damit sie sich auf ihre Kerntechnologie konzentrieren können.

Der Gewinn des Quantum Effect Awards 2024 war eine große Anerkennung für Ihre Arbeit. Wie hat sich Ihr Unternehmen seitdem entwickelt?

Der Quantum Effects Award war ein wichtiger Schritt um diese neue, interessante Technologie in der Quanten Community bekannt zu machen. Wir konnten darüber neue Kontakte knüpfen. Über die Verbreitung der Technologie können wir die Serienfertigung der Systeme weiter ausbauen, was letztendlich Vorteile für jeden der Kunden bietet.

Was können wir in Zukunft von attocube erwarten? Gibt es Weiterentwicklungen oder neue Funktionen in Planung?

Für das Jahr 2025 haben wir mit dem attoCMC800xs eine neue Freistrahl Plattform auf den Markt gebracht. Die Kombination des innovativen IGLU Kompressors mit unserem kompaktesten vibrationsentkoppelten Kryostaten für Freistrahloptik macht den Weg vom Labor in die Applikation noch leichter. Hier entfällt der Zwischenschritt der Entwicklung einer Faserkoppelung von optischen Emittern. Damit besteht die CMC Produktlinie nun aus zwei performanten Kryostaten: Ein extrem kompaktes Racksystem für rein elektrische oder sogar faser-gekoppelte photonische Quantenchips, und eines für optischen Freistrahlzugang mit Vibrationsdämpfung, welches hochauflösende optische Messungen bei kryogenen Temperaturen im industriellen Umfeld ermöglicht, .

Welche Botschaft haben Sie für Unternehmen, Start-ups und Innovatoren, die überlegen, sich mit Quantencomputing zu beschäftigen?

Die Einstiegsbedingungen könnten aktuell nicht besser sein. Die Quantencommunity wächst, wir befinden uns in einem Boom, was die Aufmerksamkeit auf das Thema angeht. Gleichzeitig sind die Einstiegsbedingungen sowohl im Bereich des Investments als auch technologisch noch sehr attraktiv. Es macht absolut Sinn sich jetzt mit dem Thema auseinander zu setzen.

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