Quantentechnologie: Neue Roadmap hilft Normen auf die Sprünge
Quantentechnologien sind längst keine Zukunftsmusik mehr. Bekanntestes Beispiel einer neuen Generation von Quantentechnologien ist wohl die rasante Entwicklung der Quantencomputer – doch auch wer ein Smartphone besitzt, nutzt Erkenntnisse der Quantenphysik, die den Einsatz von Halbleitern ermöglichen. Quantentechnologien werden Anwendungen in unterschiedlichen Industrien, in Wirtschaft und Forschung auch zukünftig enorm beeinflussen. Um ihre Entwicklung und den Einsatz in Europa zu unterstützen, fehlen jedoch Normen für die vielfältigen Technologien. Die europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC haben deshalb eine Normungsroadmap für Quantentechnologien veröffentlicht. Die Standardization Roadmap on Quantum Technologies ist ein Leitfaden, der Normungsvorschläge und Bedarfe für alle Bereiche der Quantentechnologie bereitstellt:
- Quantenkommunikation und -kryptografie
- Quantencomputing und -simulation
- Quantensensorik und -metrologie
- Basistechnologien für Quantensysteme
Damit ist die Roadmap das erste Dokument weltweit, das sich der Normung der Quantentechnologien als Ganzes und übergreifend annimmt – und sich nicht auf einzelne Anwendungen wie Quantencomputer beschränkt.
Als Grundlage für künftige, fundierte Entscheidungen wie z. B. Investitionen soll die Roadmap die Ansiedlung neuer Industrien in Europa und die Entwicklung neuer Geräte und Infrastrukturen fördern. Zusätzlich haben CEN und CENELEC ein Dokument mit Anwendungsfällen für Quantentechnologien veröffentlicht, in denen Normungsbedarfe an konkreten Einsatzszenarien erläutert werden. Daraus lässt sich ableiten, wo welche Normen und Standards wann benötigt werden.
Erarbeitet wurden die Dokumente von der Focus Group on Quantum Technologies (FGQT), die CEN und CENELEC 2020 gegründet haben. Mehr als 200 Expert*innen auf dem Gebiet der Quantentechnologie haben sich in der FGQT zusammengeschlossen, darunter rund 30 aus Deutschland. Die Fokusgruppe wurde auf Initiative u.a. von DIN, der niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (TNO) und der Europäischen Kommission ins Leben gerufen. DIN ist in der FGQT als nationale Normungsorganisation Mitglied und hat die Roadmap maßgeblich vorangetrieben.
Dr. Nicolas Spethmann, Leiter des Quantentechnologie-Kompetenzzentrums QTZ bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und Vice-Chair der FGQT und des neu gegründeten CEN/CENELEC JTC 22 „Quantum Technologies“ erklärt: "Die Standardisierung der Quantentechnologien unterstützt die Vergleichbarkeit von Komponenten der Quantentechnologie und schafft damit Vertrauen und Verlässlichkeit. In der noch jungen Quantentechnologie hilft dies der europäischen Wirtschaft, eine führende Rolle in der kommerziellen Erschließung der Quantentechnologie zu spielen."
Sinnvolle Priorisierung für Normen
Die Expert*innen der FGQT haben für die Roadmap Normungsbedarfe und -möglichkeiten sowie konkrete Handlungsschritte identifiziert, um neue Normen einzuführen. Im Dokument schlagen sie außerdem eine Reihenfolge für das weitere Vorgehen vor. Denn: Die verschiedenen Technologien sind unterschiedlich ausgereift. Während einige Geräte wie Quantencomputer erst seit kurzem auf dem Markt sind, sind andere wie der Quanten-Magnetometer bereits etablierte Produkte. Diese unterschiedlichen Reifegrade berücksichtigt die Normungsroadmap in der empfohlenen Reihenfolge.
Gremium für die Umsetzung gegründet
Auf die Roadmap sollen Taten folgen: Im nächsten Schritt werden die Normen auf Basis des Dokuments konkret erarbeitet. Hierfür riefen CEN und CENELEC das JTC 22 QT (Joint Technical Committee 22 on Quantum Technologies) ins Leben – ein Gemeinschaftsgremium, das im März 2023 seine Arbeit aufnahm. Es baut auf der erarbeiteten Roadmap auf, denn es ist das erste Normungskomitee weltweit, das Quantentechnologien ganzheitlich betrachtet. DIN hatte den Vorschlag zur Gründung des JTC bei CEN und CENELEC eingereicht.
Schon auf Forschungsebene sind Normen für Quantentechnologien wichtig, um effizienter zu kommunizieren und Ergebnisse besser vergleichen zu können. Normen gestalten die Zusammenarbeit flexibler, weil Komponenten wie Hard- und Software austauschbar und miteinander kombinierbar sind. Für die Industrie wiederum ist die Normung erforderlich, um Quantentechnologien in Europa und weltweit auf den Markt zu bringen – eine einheitliche Terminologie, vergleichende Messungen und Leistungstests für Komponenten und Geräte der Quantentechnologie sind hier nur einige Beispiele.
zurück zur Übersicht